Mittwoch, 4. März 2015

Leseprobe: Annette Gwozdz


Leseprobe aus der Anthologie "Von Kräutertee bis Fleischeslust"


Carpe Diem
[...] Das Karussell begann sich zu drehen.Waren es eines Morgens 500 Gramm zu viel, so wurde den ganzen Tag an jeder Kalorie gespart. Waren es jedoch 500 Gramm weniger, erlaubte ich mir, mehr zu essen, als noch den Tag davor, ließ die Zügel schießen. Die unvermeidlichen zusätzlichen 500 Gramm, die darauf folgten, ließen mich wieder verzweifeln und so weiter und so weiter.
„Verflixt aber auch, hört dieser Albtraum den nie auf“, fragte ich mich und begann zu experimentieren:
Weight Watchers: Ja, das klappte durchaus. In Vier Wochen waren 6 Kilo weg. Doch dieses Punkte zählen, es zerrte irgendwann auch an den Nerven, nahm wertvolle Zeit in Anspruch, und kann doch zu guter Letzt nicht der Sinn des Lebens sein?!?
Almased: Auch nicht schlecht, wenn man auf Babynahrung steht. Aber ich bin kein Baby, ich brauche was zum Beißen. Knackige Salate, Obst und Geflügel, sollten lieber meinen Tag begleiten.

Sport: Das wäre es doch, der Königsweg, das einzig Wahre! Wenn nur die Ausreden nicht wären: Wenn es regnet, will der Sportmuffel natürlich nicht nass werden. Andererseits ist zu viel Sonne auch nicht so toll, wenn der Kreislauf nicht mitmacht.

Zu guter Letzt schien es nur noch einen Ausweg zu geben: Radikaldiät. [...]

Sonntag, 1. März 2015

Leseprobe: Hermann Trox

Leseprobe aus der Anthologie "Von Kräutertee bis Fleischeslust" und weiteren Schriften des Autors


Hasenbrot und versunkene Bratkarfoffeln
Papa kommt, Papa kommt“, rief ich mit voller Kraft, lief auf der Hofeinfahrt zu ihm, stellte mich auf seine Füße, hielt mich an seiner Jacke fest und wartete darauf, dass mein Vater, mich auf den Füßen balancierend, vorsichtig weiterging. „Was gibt es denn zum Mittagessen“, fragte er mich; nach acht Stunden Arbeit auf der Zeche knurrte ihm nämlich der Magen. Strahlend schaute ich zu ihm auf, rutschte von seinen Füßen, schwankte ein wenig beim Loslassen seiner Jacke, und stürmte die sieben Steinstufen zu unserer kleinen Wohnung hoch. Vier oder fünf Jahre alt muss ich gewesen sein, also im Jahre 1949 oder auch schon 1950. Eine arme Zeit, wie ich heute weiß. Als kleiner Dreikäsehoch damals war es mir nicht so bewusst gewesen. Mutter hatte mein Begrüßungsgeschrei schon gehört, denn die Türen zum Hof standen auf und auch ein Fenster lud zum Hinausschauen ein.[...]


Mein schöner, schöner Garten
Von der Terrasse schweift mein Blick über meinen Garten, er streichelt über Büsche und Rosenarkaden und verweilt an dem mit Spalierlatten verzierten Pavillon. Ein kleines Bächlein rinnt fröhlich, über kleine Kiesel, mäandernd und plätschernd an ihn vorbei. Im hinteren linken Teil des Gartens, verbirgt sich fast meinem Blick, ein kleiner mit Steinplatten belegter Platz. Zum Verweilen lädt eine Sitzgruppe ein, bestehend aus einer marmornen elfenbeinfarbigen Bank und dem dazu gehörigem Tisch mit geschwungenen Beinen. Ein Pärchen tanzt leichtfüßig zu einer Musik, die mein Ohr nicht erreicht, auf dem kleinen Platz. Ein lauer Wind streicht durch die Büsche und der Vollmond erlaubt einen Blick auf die Füße des Pärchens, die einen leichten Nebel auf dem Boden aufwirbeln, der die Steinplatten bedeckt. Der Bach, im Garten rechts von mir, plätschert lauter wie gewohnt, so
dass ich unwillkürlich hinüber blicke. Aus den Augenwinkeln sehe ich aber noch, wie das tanzende Pärchen, an seinen Konturen langsam hell aufleuchtend, durch Tisch und Bank sich verflüchtigt und unsichtbar wird. Eine Nebelwolke bleibt zurück, die langsam zum Bach hinüber zieht.[...]